"Until Dawn" habe ich mit meinem Bruder, ein blutiger Videospielanfänger, am Samstagabend etwa drei Stunden lang gezockt. Nach dem Prolog, wo schon die ersten den Löffel abgeben haben (das soll wohl so sein), kommt man ins eigentliche Spielgeschehen. Selbst das Setting und den groben Ablauf zu verraten, wäre hier schon spoilern. Das Spiel hat jetzt keinen sonderlich großen Tiefgang. Es ist von der Marke "Teenie-Horror" mit allen Klischees. Die Atmosphäre kann aber durchaus gefallen und der eine oder andere Erschrecker war auch dabei. Dennoch schafft es das Spiel nicht, mich jetzt so in den Bann zu ziehen wie beispielsweise "Witcher 3", denn die Entscheidungsfreiheit bei "Until Dawn" ist eingeschränkt, wenn auch gefühlt weniger als bei "Heavy Rain". Mein Bruder war dagegen restlos begeistert und freut sich schon auf das nächste Wochenende.
Für den Videospielanfänger, wie die Presse in ihren Schlussplädoyers schreibt, ist das Spiel absolut nicht. Mein Bruder gab mir freiwillig den Controller zurück, weil er als Neuling mehr auf den Controller als auf den Fernseher
schauen musste , um die richtigen Tasten zu erwischen. Und bis er die Taste für den Quicktime-Event gefunden hatte, hatte er wieder einen liebgewonnenen Teenager auf dem Gewissen oder ebnete einen neuen, augenscheinlich schlechten Pfad ("Schmetterlings-Effekt"). Er kann also das Geschehen gar nicht wirklich mitverfolgen (oder gar beeinflussen). Immersion entsteht natürlich so nicht einmal im Ansatz. Ihm reichte das mitfiebern, das Schreien nach der richtigen Taste (eine Idee für einen Controller?
)
Nach Aussagen meines großen Sohnes, der sich "Until Dawn" schon bei Youtube angeschaut hat, habe ich schon am Samstagabend ein Drittel des Spiels geschafft.
Wenn das tatsächlich stimmt, und die Fakten sprechen nach einer Recherche tatsächlich für sich, dann kann ich allen Interessenten nur empfehlen, abzuwarten, bis das Teil für einen Zwanni in der Pyramide zu finden ist. Denn 59 Ocken für etwa 8 Stunden Spielspaß, bei dem man nur ein bisschen herumlaufen, sich erschrecken und die richtigen Entscheidungen und Knöpfe innerhalb einer begrenzten Zeit drücken muss, sind echt zu viel für so wenig Inhalt, wenn man mal wieder Witcher 3 mit einer Spieldauer von bis zu 200 Stunden daneben stellt.
Das wirklich Interessante (und beängstigend Reflektierende) sind die Sitzungen beim "Psychiater" und die Story-Pfade, die man durch seine Entscheidungen einschlägt. Weil aber nach dem erneuten Spielen, zum Beispiel für einen neuen Pfad, wohl sehr viele Szenen gleich oder ganz ähnlich sind, dürfte der Wiederspielwert (für mich jedenfalls) gering sein. Vielleicht krame ich das Teil nach einem halben Jahr wieder raus, um andere Entscheidungen zu treffen, sofern ich mich noch daran erinnern kann, welche Entscheidungen ich zuvor getroffen hatte oder wie schnell ich damals beim Richtige-Knöpfe-Drücken war.
Es ist eben ein interaktiver Film. Macht Laune und begeistert Videospielanfänger, wenn auch nur als Zuschauer.