Gerade eben habe ich den zweiten Durchgang in
Until Dawn auf der PS4 beendet wobei die Spielzeit pro Durchgang so rund acht Stunden betragen hat. Until Dawn ist eine vergleichweise stark interaktive Visual Novel die sich spielerisch an den typischen Telltale-Spielen wie "The Walking Dead" oder "The Wolf among us" orientiert und von der Geschichte her auf Pfaden bekannter Teenie-Slasherorgien wie "Halloween", "Freitag der 13." und "I know what you did last Summer" wandelt...oder etwa doch nicht? Nun, das müsst ihr schon selbst herausfinden.
Zunächst möchte ich einen kurzen Storyabriss wagen: Vor rund einem Jahr trafen sich zehn Teenager auf einer verlassenen (aber opulenten) Berghütte um ein gemeinsames Wochenende zu verbringen, allerdings führten ein Streich und unglückliche Umstände dazu, dass zwei von Ihnen seitdem vermisst werden. Unabhängig davon treffen sich die verbliebenen acht Freunde genau ein Jahr später erneut auf dieser Berghütte um das Geschehene zu verarbeiten, sich wiederzusehen und gemeinsam ein schönes Wochenende zu verbringen. Genau hier tritt der Spieler auf den Plan der abwechselnd einzelne Charaktere steuert, Geheimnisse entdeckt und abhängig von seinen getroffenen Entscheidungen die Spielfiguren überleben lässt oder für ihr Ableben sorgt.
Wie schon erwähnt handelt es sich bei Until Dawn praktisch um eine erweiterte Visual Novel die spielerisch nicht ganz so limitiert wie einige Telltale-Spiele ist, allerdings sollte man auch nicht den Bewegungsfreiraum eines Resident Evil oder Silent Hill erwarten. Am Ende wird einem mehr Freiraum vorgegaukelt als vorhanden ist und unabhängig von den getroffenen Entscheidungen bewegt man sich mehr oder weniger auf den vorgezeichneten Schienen des Regisseurs. Nach zwei Durchgängen kann ich sagen, dass der oftmals zitierte Schmetterlingseffekt nicht ganz so stark ausgeprägt ist wie die Werbung einem glaubhaft machen möchte und viele Entscheidungen nur Relevanz für die derzeitige Szene haben. Am Ende läuft alles auf das große, unaufhaltsame Finale heraus, unabhängig davon wie viele der acht Teenager den Sonnenaufgang erleben. Das ganze ist ein wenig schade, allerdings auch nachvollziehbar - anders wäre die Story mit ihrer Auflösung wohl nur schwer umzusetzen gewesen. Die acht Teenager folgen übrigens dem gängigen Muster vergleichbarer Filme. Die zickige Bitch ist ebenso vorhanden wie das eher schüchterne Mauerblümchen oder der draufgängerische Sportler.
Die Entscheidungen die der Spieler treffen muss gestalten sich abhängig von der Situation unterschiedlich. Welchen Weg schlägt man ein, hält man eher zu Person X oder lieber zu Person Y, versteckt man sich unter dem Bett oder ergreift lieber die Flucht?...
Einige dieser Entscheidungen sind einem Zeitlimit unterworfen welches mal mehr und mal weniger großzügig gestaltet ist, bei anderen hat man alle Zeit der Welt sich zu entscheiden. Zusätzlich gibt es in einigen Stresssituationen, beispielsweise einer Flucht oder einer Kletterpartie auf einem vereisten Abhang, kleinere QTEs die, sofern man den Playstation-Controller halbwegs beherrscht, allesamt recht einfach zu meistern sind. In einigen wenigen Situationen kommt neben dem Touchpad (bspw. zum umblättern einer Buchseite) zusätzlich die Bewegungssteuerung des Controllers zum Einsatz (wenn man sich versteckt, sollte man den Controller logischerweise möglichst ruhig in der Hand halten), was generell sehr nett umgesetzt wurde. Apropos Bewegungssteuerung. Eingangs kann man wählen ob man die klassische zwei-Stick Steuerung bevorzugt oder lieber mit Bewegungssteuerung spielen möchte. Ich persönlich habe mich für die klassische Variante entschieden aber die Taschenlampensteuerung mit Bewegungssensor wurde auch sehr gut umgesetzt. Beim Thema Bewegungssteuerung blickt evtl. die PS3-Vergangenheit des Titels zum Vorschein, denn dieser wurde im Zuge der Move-Kampagne groß beworben, verschwand dann aber relativ schnell wieder in der Versenkung und wurde über mehrere Jahre für die PS4 aufbereitet, was uns zur Technik des Spiels bringt.
Ganz ehrlich, dem Titel sieht man die PS3-Vergangenheit zu keiner Zeit an. Supermassive Games, ansonsten eher "bekannt" für hochkarätige Software wie "Tumble" oder "Start the Party", hat einen sehr guten Job gemacht und auf der technischen Seite ein echtes Brett abgeliefert. Die Charaktermodelle schauen einfach nur großartig aus und auch wenn man davon ausgeht, dass die Levelstruktur sehr geradlinig und auf relativ starre Kameraperspektiven fixiert ist kann die Darstellung der verschneiten Berglandschaft, verlassener Minenschächte oder der großzügig gestalteten Lodge absolut überzeugen. Das ist sicherlich nicht nur der hervorragenden Licht- und Schattenmechanik sondern vor allem der gut ausgewählten Kameraperspektiven zu verdanken. In Zeiten von 1st Person- und Schulteransicht endlich mal wieder eine willkommene Abwechslung die eine Menge Punkte in Sachen Atmosphäre einstreichen kann. Auch auf der akustischen Seite hat man sich ebenfalls nicht lumpen lassen und bietet neben einem sehr gelungenen Titeltrack, tolle und sehr atmosphärische Musikuntermalung, FX welche die Situation perfekt umschreiben und eine äußerst professionelle Sprachausgabe. Die deutschen Sprecher stehen ihren amerikanischen Originalsprechern übrigens nicht viel nach, allerdings wurde bei der Soundabmischung wohl ein wenig geschlampt - die deutschen Sprecher klingen allesamt etwas blechern. Sehr schade aber auch nicht so dramatisch - auch in deutscher Sprache kann man das Abenteuer genießen. Bei einem Teenie-Slasher dürfen natürlich auch die obligatorischen Jumpscares nicht fehlen die hier zahlreich vorhanden und mal mehr und mal weniger gut in Szene gesetzt wurden - das ein oder andere mal habe ich mich wirklich erschreckt. Was ich bei all meiner Lobhudelei über die Technik nicht verschweigen möchte sind zwei Dinge. Zum einen tritt zwischendurch der bekannte Uncanny Valley-Effekt auf, ein Effekt über den auch schon David Cages Spiele ein wenig gestolpert sind - manchmal wirkt die Gestik etwas zu übertrieben, manchmal ist die Mimik der Charaktere etwas "seltsam" - hier ist noch einige Luft nach oben aber ich möchte hier auch nicht zu kritisch wirken. Die andere Sache die mir aufgefallen ist, wirkt eher kleinkariert - ich hatte den Eindruck, dass Fußspurtexturen im Schnee manchmal vor dem auftreten des Fußes gezeichnet wurden...irgendwie seltsam.
Until Dawn ist übrigens in einzelne Kapiteln aufgeteilt, wobei man zwischen den Kapiteln aus Sicht des Spielers jeweils an einer psychologischen Sitzung teilnimmt und Fragen eines, zumindest mir persönlich unheimlich wirkenden, Psychiaters beantworten muss. Die Antworten auf diese Fragen nehmen direkten Einfluss auf die Geschehnisse der folgenden Kapitel. Fürchtet man sich eher vor Ratten oder vor Vogelscheuchen? Welchen Charakter aus der Gruppe würde man am ehesten opfern? Fragen dieser Art halt.
Am Ende bleibt ein Gruselabenteuer der etwas anderen Art. Spiele wie Until Dawn sind vergleichsweise selten und bieten für mich eine willkommene Abwechslung zur sonstigen Spielelandschaft. Ich muss so etwas nicht jeden Tagen haben aber zwischendurch tausche ich Kombos, Highscores & Co. gerne mal gegen die oben erwähnte Spielemechanik. Generell muss ich allerdings auch sagen, dass mich das Setting sehr angesprochen hat - ist einfach mein "Ding" gewesen. Kann ich das Spiel empfehlen? Ja, definitiv, zumindest wenn man etwas mit der Mechanik und dem Genre anfangen kann. Until Dawn kann man mittlerweile vielerorts für relativ kleines Geld abgreifen und wenn man sich darauf einlässt eine Menge Spaß mit dem Spiel haben.
In meinem kommenden Weihnachtsurlaub werde ich das Spiel übrigens noch einmal angehen. Dann aber gemeinsam mit meiner Frau, allerdings darf sie dann den Controller in die Hand nehmen und die Entscheidungen treffen während ich mich einfach nur dabei setze...ich bin schon sehr gespannt wie viele Personen überleben werden
Generell könnte ich mir das Spiel auch sehr gut als Gruppenunternehmung vorstellen...sofern die Mitspieler sich darauf einlassen können.
PS: Augenscheinlich wird die Playstation-Kamera unterstützt welche ich leider nicht besitze. Diese filmt bzw. macht Fotos in bestimmten Sequenzen (vermutlich den bereits erwähnten Jumpscares) und zeichnet dabei den jeweiligen Spieler auf. Das könnte ein Riesenspaß werden.
Nachtrag: Bevor ich es vergesse: Until Dawn bietet umfangreiches Bonusmaterial welches Einblicke in die Entstehung des Spiels, Interviews, Musik & Co. gewährt. Ist in Zeiten wo jeder Müll als C.E. veröffentlicht wird ja auch keine Selbstverständlichkeit mehr.