Tokyo Ga [TV/arte]
Es gibt sie noch: Die wirklich richtig sauguten Filme. In diesem Fall von meinem Lieblings-Regisseur - der obendrein auch noch deutscher ist - von Wim Wenders. Seitdem ich
Million Dollar Hotel gesehen, noch einmal gesehen, auf DVD gekauft und dann erst einmal die hervorragende Dokumentation dieses Films auf dieser DVD genüsslich goutierte, hat dieser Filmemacher einen festen Platz in meinem Herzen. Und natürlich kenne und liebe ich
Paris, Texas,
Land of Plenty,
Don't come Knocking und
Palermo Shooting (mit einem hervorragenden Campino in der Hauptrolle).
Und anlässlich des 70. Geburtstags des Mannes zeigt arte eine Auswahl seiner Filme und Dokumentationen. So auch
Tokyo Ga, den ich leider im Fernsehen verpasst habe, aber - lieber Gott, ich danke Dir - es gibt ja »arte+7«, wo man die meisten Filme noch sieben Tage nachträglich sehen kann.
Tokyo Ga ist eine Dokumentation über Tokyo, welches Wim Wenders im Jahr 1983 besucht hat. Der Film gibt vor, auf den Spuren des von Wenders hochverehrten japanischen Regisseurs Yasujiro Ozu zu wandeln. Ozu, hmmm ... ich gebe zu, dass ich den Namen nie gehört habe. Und genau das muss man auch nicht, denn der Film ist ein astreines »Sittenbild« des Tokyos im Jahr des Besuches. Am Anfang spricht Herr Wenders zwar noch ein wenig über den Regisseur, aber immer öfter hält er einfach den Mund und lässt die gefilmten Bilder für sich stehen: Ein von in voller Blüte stehenden Kirschbäumen überschatteter Friedhof, auf dem lachend Geschäftsleute auf dem Boden sitzend ein Picknick abhalten. Eine Pachinko-Spielhölle. Eine Golfanlage, auf der buchstäblich tagaus tagein Bälle ins Nirgendwo geschossen werden. Eine Fabrik, in der die Speisen-Wachsimitate hergestellt werden, welche man überall in Tokyo in den Auslagen der Restaurants bewundern kann. Viele Straßen mit Autos. Viele Lichter. Viele Zugfahrten.
Die Bilder sind hypnotisch - wozu allerdings auch viel die meditative Musik im Hintergrund beiträgt - wenn, und jetzt kommt's, wenn man sich denn darauf einlässt. Die sagenhafteste Kamera-Einstellung ist ein minutenlang neben dem eigenen Zug herfahrender weiterer Zug, ein Junge winkt im Nachbarzug und schon taucht dieser ab und verschwindet im dunklen. Das war völliger Zufall und ist einfach nur obergenial (erinnert mich an den ungeplant in
Land of Plenty aufgetauchten Kolibri, den Wim Wenders reaktionsschnell in die Handlung mit eingebaut hat). Und das ist beruhigend weit, weitab vom gestylten langweiligen weil immer wieder gleichen Hollywood-Quatsch. Der Trick ist nur: Man muss sich darauf einlassen.
Analytisch genommen gibt es eigentlich nichts, was man nicht schon aus anderen Filmen und Dokumentationen kennt (für mich speziell nenne ich da mal
Black Rain von Ridley Scott und
Erleuchtung Garantiert von Doris Dörrie). Die Machart ist es, die mich hier in den Bann gezogen hat.
Herr Wenders: Vielen Dank, dass es sie gibt. Bitte mehr davon!