Ich hab mir gestern eien kleinen Lynch-Abend gegönnt und zwar mit Blue Velvet und mit Wild at Heart [...]
Da Du hier meinen absoluten Über-Obendrüber-Lieblings-Regisseur schreibst, fühle ich mich genötigt, dazu ebenfalls einen Kommentar abzugeben. Vor allem auch, weil ich jeden seiner Filme mehrfach gesehen habe, die von Dir erwähnten sogar locker mindestens 10x.
Also: Als Lynch-Fan sage ich, dass
Blue Velvet zu den beiden ansehbarsten Filmen gehört (der andere ist
The Straight Story). Bei
Blue Velvet sind die Charaktere zwar sehr verstörend. Allen voran natürlich Dennis Hopper in seiner wohl besten Rolle, erwähnenswert aber auch Dean Stockwell als denjenigen, der den Sohn von Dorothy festhält. Dem gegenüber steht eine stringente Geschichte, die genau so passieren könnte. Und die mehr oder minder bis zum erbrechen »normalen« Personen der »heilen Welt«, verkörpert durch Laura Dern und natürlich Kyle MacLachlan. Die später für Lynch typischen psychologischen Andeutungen sind hier nur am Rande vorhanden und noch nicht für die eigentliche Story elementar vorhanden. Wobei natürlich trotzdem wichtig ist, wie die Farbe im Hausflur vor der Tür von Dorothy aussieht, damit man sich unwohl und bedroht fühlt.
Ich mag
Wild at Heart aber lieber. Genau wie Du mochte ich den Film am Anfang nicht, weil mir Saylor und Lula auch auf den Keks gingen. Als ich den ein paar mal gesehen habe, ging mir auf, wie sehr die beiden eigentlich ineinander verliebt sind. Und was Saylor auf seine Art eigentlich tut, um Lula zu behalten. Und dann gibt es diese nahezu unaushaltbare Szene, als der eklige Bobby Peru Lula zwischen die Beine greift und immer wieder flüstert: »Sag: Fick mich!« So etwas muss man erst einmal in dieser Intensität schauspielern. Und zwar von BEIDEN Schauspielern. Das ist genau so nahezu unaushaltbar, wie in
Blue Velvet die Szene, wenn Frank Booth da erste mal mit Lachgasmaske auf dem Gesicht Dorothy vergewaltigt.
Was ich an David Lynch so liebe, ist, dass er mir als Zuschauer echt aber so richtig Angst einjagen kann. Und er schafft es trotzdem, mich (meistens) wieder zurück in die Sicherheit zu holen. Bei
Blue Velvet sind das die »schöne heile Welt«-Schlusszenen und bei
Wild at Heart die völlig abgerehte Szene zum Schluss mit der Fee (gespielt übrigens von Sheryl Lee aka »Laura Palmer«). Ich liebe gerade diese vorletzte Szene, weil sie so richtig unverschwurbelt und klipp und klar auf den Punkt bringt, warum Saylor sich gefälligst um Lula und seinen Sohn kümmern sollte. Hach ...
Mein Lieblingsfilm ist und bliebt
Lost Highway, weil der einfach nicht logisch erklärbar ist (bzw. ist er schon, aber die Erklärung ist so banal, dass ich sie ablehne). Und er strahlt eine unglaubliche Stimmung aus, auf die man sich einlassen können muss, damit man den Film mag.
Noch abgefahrener wird es mit seinem Erstling
Eraserhead und seinem bisher leider letzten Kinoprojekt
Inland Empire. Bei beiden muss man aber wirklich Durchhaltevermögen beweisen. Ich habe mir letzteren sogar im Originalton im Kino in München nachts um 23:30 Uhr angesehen ... nicht wissend, dass der Film über 3 Stunden läuft. Hach ... was für ein Erlebnis mit lauter Lynch-Fans im Kino zu sein.
Zu der These mit den 50ern: Völlige und totale Zustimmung. Man muss sich nur die Frisuren und die Kleider der Frauen ansehen. Und teilweise auch die Rolle der Frau. Da benutzt er natürlich, um diese kranke Kleinstadtidylle zu erzeugen, wo unter der Oberfläche das Chaos brodelt.
Heute Abend sehe ich mir auch mal wieder
Wild at Heart an. Ach, ist das ein GEILER Film!