Zum einen heisst Indie ja nun deshalb Indie, weil die Leute unabhängig sind. Auch von einem Publisher.
Das schließt aber auch nicht aus, dass es einen Publisher gibt. Und tatsächlich kann man auch viele Indiegames nicht nur in Steam kaufen, sondern auch DRM-frei. Solche Titel nutzen Steam wirklich nur als zusätzlichen Verbreitungsweg.
Durch das Internet gibt es die Möglichkeit eines einfach und sehr gut funktionierenden Selbstvertriebs. Vorher musste ein Entwickler ein Spiel an einen Hersteller verkaufen/lizensieren, dieser hat dann die Verpackung, das Spiele-Medium (Diskette, Cassette, CD) und die Anleitung hergestellt und das ganze wieder an einen Vertrieb abgegeben. Die haben das wiederum an den Einzelhandel verteilt und schlussendlich landet es beim Kunden. Bei einem Entwickler blieben zwischen 5% bis 20% des Verkaufspreises (je nach Verhandlungsgeschick und Bekanntheitsgrad).
Und schon da scheiden sich die Geister. Der Selbstvertrieb funktioniert eben nicht von selbst sehr gut, sondern nur wenn du als Entwickler entweder schon einen gewissen Bekanntheitsgrad und eigene Community hast, oder du einen verflucht guten Titel in der entwickelt hast, der noch vor Veröffentlichung in bereits bestehenden Communities gehyped wird.
Nur weil ich ein Spiel programmiere, verkauft es sich nicht einfach von allein. Außer man kennt mich und weiß, was man von mir erwarten kann.
Beim Selbstvertrieb fehlt die Kette zwischen Entwickler und Kunde, so dass der Entwickler 100% des Endkundenpreises einstreicht. Alleine schon dadurch machen kleine Ein- bis Fünf-Mann-Heimentwickler gut Geld, weil sie nämlich nicht mehr 100.000 Stück eines Spiels sondern »nur« noch 5.000 Stück verkaufen müssen, um das selbe Geld zu machen.
Das funktioniert aber nur, wenn ich trotzdem den Vollpreis nehmen kann, den ich über den normalen Vertriebsweg erreichen würde. Wenn ich meinen Preis runter drehen muss, muss ich konsequenterweise auch wieder mehr verkaufen um auf das gleiche Ergebnis zu kommen.
Wie viele Indiegame-Entwickler können 50 Euro pro Titel verlangen und verkaufen trotzdem mindestens 5000 Exemplare und mehr für einen Download? Und wenn ich das ganze Boxed mache mit Anleitung, Datenträger und allem drum und dran wäre ein solcher Preis sicherlich gerechtfertigt, aber ich habe dann auch mehr Ausgaben, auf die ich im schlimmsten sitzen bliebe.
Ich sehe ich in der herbeigeredeten Vereinnahmung der Indie-Szene durch Steam auch eine Gefahr: Wenn ein Spiel bei Steam nicht angenommen wird, käme das schon einem negativen Qualitätsurteil gleich. Dem ist aber garantiert nicht so, weil bei Steam-Greenlight - sicherlich von mir hier vereinfacht dargestellt - einfach nur der Massen-Durchschnittssware gewählt wird.
Dem kann ich nicht beipflichten, denn die bisherigen Vertriebswege und Communities werden durch Steam ja nicht abgeschafft. Im Grunde bestätigst du meinen Standpunkt sogar, da du selbst schreibst, dass Indiegames es ohne eine Plattform, wie Steam schwerer haben.
Wenn der Selbstvertrieb also so lukrativ ist, sollte das den Entwickler auch nicht entmutigen, wenn er nicht auf Steam verkaufen kann.
Ist für einen Entwickler eine Entwicklung erst dann lukrativ, wenn er sie mittels Steam vertreiben kann, kann es sich ganz offensichtlich nicht um ein Indie-Titel handeln: Denn dann macht sich der Entwickler von Greenlight abhängig. Über diese Entwickler reden wir hier aber gar nicht.
Dass Steam auf eine Zug aufspringt, um möglichst auch hier Geld zu machen. Mehr nicht. Ist das nicht deutlich genug geworden? Aber zu behaupten, dass die Indie-Branche erst durch Steam »eine Renaissance erlebt hat« grenzt an Geschichtsverfälschung.
Streng genommen gab es sogar zuerst Indiegames, dann irgendwann später Publisher. Meine Frage an dich lautet nun, welche Indiegames-Titel kannst du mir aus dem Zeitraum 1995-2005 nennen, die es zu einer so starken Verbreitung wie Super Meat Boy oder World of Goo geschafft haben? Wieviele Käufer hätten wohl Dwarfs?!, Darwinia, Dungeon Defenders, Jamestown, Game Dev Tycoon, FTL und viele, viele weitere Titel gefunden, wenn sie NICHT AUCH über eine zentrale Plattform wie Steam angeboten worden wären?
Und genau DAS meine ich mit "Renaissance" der Indiegames: Im Zeitraum 1990-2005 war es einfach unheimlich schwer, sein selbst entwickeltes Spiel erfolgreich (im Sinne von starker Verbreitung) zu promoten. Die wenigsten Titel haben es über eine kleine Community hinaus geschafft. Genau DAS hat sich erst mit Steam geändert: Genau diese Spiele finden heute viel leichter Käufer, die zuvor nie nach solchen Spiele gesucht hätten.
Das soll nicht heißen, dass es vorher keine Indiegames gab - aber die wurden fast immer nur in kleinem Kreis gefeiert.
Valve ist nicht die Heilsarmee, sondern ein gewinnorientiertes Unternehmen. Natürlich will Valve mit den Indiegames auch Geld verdienen! Sonst würden sie die Spiele gar nicht erst in ihren Store lassen. Darüber brauchen wir uns wahrlich nicht zu streiten
Und ich wiederhole es gerne noch mal: Auch ich mag Steam. Es ist wie mit Amazon: Nämlich extrem praktisch. Ich sehe die Vorteile. Und natürlich ist Steam auch für Indies eine prima Sache ... wenn sie denn dort veröffentlichen »dürfen«. »Minecraft« wäre damals nie bei Steam angenommen worden (ich meine mich erinnern zu können, dass »Notch« damals so etwas in der Art geschrieben hat).
Alles wird gut
Grüße und wech, der Ronny