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Jumping Flash! – Ein vergessener Pionier

Ein Bericht von Stefan Nowak

Oft wird Spielen für die PlayStation nachgesagt, dass sie „schlecht gealtert“ seien. Das gilt vor allem für Spiele mit 3D-Grafiken, obwohl die allererste PlayStation, welche im Dezember des Jahres 1994 in Japan und fast ein Jahr später, im September 1995 in Europa, veröffentlicht wurde, einst für ihre überragenden 3D-Fähigkeiten bekannt war. Zwar erschien Segas Saturn fast einen Monat früher, aber Sonys PlayStation konnte, dank etwas besserer technischer Grundlagen im 3D-Bereich, etwas überzeugendere Spiele hervorbringen. Die Konsole markiert zusammen mit dem Saturn den Start ins dreidimensionale Zeitalter und verzückte die Spieler mit heute noch bekannten Hits wie zum Beispiel Ridge Racer, WipEout und Tekken. Mitte der 1990er Jahre wirkten die Spiele unfassbar fortschrittlich und einer der größten Träume aller Videospieler war erfüllt worden: 3D-Spiele in Spielhallenqualität im heimischen Wohnzimmer!

Alle Spiele schlecht gealtert?

Mittlerweile sind seitdem mehr als 20 Jahre vergangen und wir sind etliche Konsolengenerationen weiter. 3D-Spiele haben eine rasante Entwicklung hinter sich, sind sehr viel detaillierter, hochauflösender und aufwendiger, wohingegen 2D-Spiele vergleichsweise weniger stark weiterentwickelt wurden. Hier kommt es auch nicht so sehr auf die Auflösung an, sondern mehr auf die Ästhetik. In vielen alten Spielen sehen schöne und anspruchsvoll gestaltete 2D-Welten heutzutage immer noch schön aus – völlig egal, wann sie erdacht und gezeichnet wurden. Anders sieht es bei 3D-Grafiken aus – Gemessen an aktuellen 3D-Grafiken der heutigen Zeit sehen die aus den 1990er Jahren meistens ziemlich schlecht aus, obwohl sie zum Zeitpunkt ihrer Erscheinung für offene Münder und maßloses Staunen sorgten. Und genau das ist gemeint, wenn gesagt wird, dass ein Spiel schlecht gealtert seih.

Allerdings gibt es einige Spiele, die gemessen an aktuellen 3D-Krachern weniger aufwendig erscheinen, aber Dank ihrer grafischen Gestaltungen und interessanten Mechaniken immer noch begeistern können. Zudem scheint sich bei vielen Spielern der Geschmack zu wandeln und die alte Begeisterung für frühe 3D-Spiele kehrt wieder zurück. Möglicherweise betrifft dieses Phänomen auch nur die älteren Spieler unter uns :).

Jumping Flash!

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Jumping Flash!, welches von den damals bei Sony intern aufgestellten Entwickler-Teams Exact und Ultra stammt, wurde bereits sehr früh, nur vier Monate nach dem Release der Konsole, im April 1995 in Japan veröffentlicht. In Europa ist es einer der Launch-Titel und erschien im September 1995 am selben Tag, an dem die Konsole für deutsche Spieler erstmals in den Läden erhältlich war. Es ist das erste 3D-Jump-’n’-Run, welches in einer Welt stattfindet, die vollständig mit Hilfe texturierter Polygone erschaffen wurde und in der man sich frei in jede Richtung bewegen kann. Das gilt auch für sämtliche Gegner, welche bekämpft, und Gegenstände, welche eingesammelt werden können (Bug!, ein ebenfalls sehr frühes und dreidimensionales Jump ’n’ Run von Realtime Associates für Segas Saturn, ist etwas später erschienen und ist spielmechanisch ein vorrangig zweidimensionales Spiel). Zum Erscheinungszeitpunkt einzigartig war auch die Perspektive, denn es handelt sich um ein Jump ’n’ Run, welches aus der Sicht der Spieler dargestellt wird.

Spiele dieses Genres leben davon, dass sie zwar knifflige Sprungpassagen bieten, aber dennoch zu meistern sind, weil die Steuerung ein exaktes Manövrieren der Spielfigur erlaubt – auch über schmale Plattformen hinweg. Exact bleibt seinem Namen treu und erlaubt genau diese exakte Steuerung dank einer tollen Idee: Robbit, so heißt die Spielfigur, ist ein RoboterhaseJumpginFlash_Robbit_small und kann per Tastendruck drei Mal pro Sprung in die Höhe katapultiert werden und somit eine beachtliche Höhe erreichen. Nur während des ersten Sprungs bleibt die Blickrichtung nach vorne gerichtet. Während der beiden folgenden Sprünge blickt Robbit nach unten, damit der Spieler die unter ihm liegende Landschaft und die Plattformen sehen kann. So ist es möglich, trotz der Ego-Perspektive zielgenau umher zu hüpfen und Abstürze zu vermeiden. Etwas Fingerspitzengefühl ist notwendig, um die drei aufeinanderfolgenden Sprünge zu schaffen, denn die Folgesprünge gelingen nur, wenn die Sprungtaste am höchsten Punkt eines Sprungs gedrückt wird.

Die Level wurden weniger in die Breiten und Längen konstruiert, sondern mehr in die Höhen und nicht selten wird ein beachtliches Schwindelgefühl erzeugt, wenn die Spielfigur hinunter blickt und weit unter ihr liegende Konstruktionen zu sehen sind. Das Ganze gipfelt gegen Ende des Spiels, wenn Robbit weit über den Wolken im nahen Erdorbit herumhüpfen muss.

Dabei ist die Grafik mit ihren Gebäuden, Plattformen und Gegnern kaum lebensecht, sondern eher abstrakt gestaltet und dies ist der Grund dafür, dass das Spiel auch heute noch ansprechend wirkt. Die Steuerung ist für jüngere Spieler wahrscheinlich gewöhnungsbedürftig, denn die ersten Joypads haben keine Analogsticks und deswegen unterstützt Jumping Flash! lediglich Steuerkreuze. Vor allem das Umhersehen ist aus der heutigen Sicht nicht gerade intuitiv, weil eine Schultertaste gedrückt werden muss, während die Blickrichtung mit dem Steuerkreuz geändert werden kann. Gleichzeitiges Umhersehen und Laufen ist nicht möglich.

Baron Aloha reißt die Welt auseinander

Um eine neue Welt nach seinen eigenen Vorstellungen zu erschaffen, hat der teuflische Wissenschaftler Baron Aloha mit der JumpingFlash_BaronAloha_smallHilfe großer Tentakelroboter riesige Stücke aus unserem Planeten entrissen. Robbit wurde entsandt, um sie zurück zu holen und Baron Aloha in seine Schranken zu weisen. Insgesamt sechs Welten mit jeweils drei Stages muss Robbit meistern, wobei in den jeweils ersten beidenJFlash1_07-Bonus Stages vier sogenannte Jetpods gefunden und in der dritten Stage ein Boss besiegt werden muss. Wie bereits erwähnt, sind die Stages vorrangig vertikal ausgerichtet und befinden sich meistens unter freiem Himmel. Nur wenig findet innerhalb geschlossener Räume statt, in denen Robbit nicht springen kann. Hin und wieder gelangt man in einen der Bonus-Level, in denen innerhalb eines knappen Zeitlimits Luftballons zerstört werden müssen, wenn man einen solchen Eingang findet und auch erreichen kann.

Ballons und Gegner können mit Laserstrahlen abgeschossen werden und aufgrund der Perspektive wirkt das Spiel zeitweise wie ein Ego-Shooter – man könnte Jumping Flash! auch einen „First-Person-Platform-Shooter“ nennen.

Sämtliche Gegner sind allerdings nur schmückendes Beiwerk und laufen ziellos umher, ohne Robbit jemals wirklich gefährlich zu werden. Zwar ist das Zeitlimit, welches in jedem normalen Level herrscht, alles andere als knapp bemessen, aber irgendwann hört man auf, sie zu beschießen, weil sie nur leichtes Kanonenfutter sind und das Belohnungszentrum im Gehirn kaum angesprochen wird. Extras wie zum Beispiel temporäre Unverwundbarkeit, Smartbombs und neue Energie für das Schutzschild lässt man sogar ungenutzt am Wegesrand liegen.

Die Bosse sind etwas schwerer zu besiegen, stellen geübte Spieler aber ebenfalls nicht vor unlösbare Probleme. Zudem sind die Stages nur klein und unkompliziert gestaltet. Einzig die Tatsache, dass die Pods erst dann sichtbar sind, wenn man sich in ihrer Nähe befindet, führt bei den ersten zwei oder drei Durchgängen zu einer etwas länger andauernden Suche nach ihnen. Zu manchen Pods führen leicht komplizierte Wege – Sie befinden sich in luftiger Höhe und der Spieler muss herausfinden, über welche Plattformen Robbit zu ihnen gelangen kann. Das macht großen Spaß und umso ärgerlicher ist, dass das Spiel mit seinen 18 Stages nur so kurz ist. Wenigstens erscheint nach dem Durchspielen der sogenannte Extra Mode, in dem sich die Gegenstände an anderen Plätzen befinden und die Zeitlimits kürzer sind. Zudem gibt es noch den Super Mode, welcher erscheint, wenn man das Spiel ohne die Nutzung eines Continues meistert. In diesem Modus kann Robbit anstatt nur drei, ganze sechs Mal springen, mithilfe von L2/R2 rennen und schneller nach unten fallen, wenn man die Dreieck-Taste gedrückt hält.

Jumping Flash! ist zwar nur kurz und für geübte Spieler zu leicht, aber es profitiert von seiner sehr interessanten Mechanik und der mittlerweile wieder ansprechend wirkenden Optik. Nicht zu vergessen ist der Fakt, dass es das erste Jump ’n’ Run in einer 3D-Welt ist, in der sich die Spielfigur völlig frei bewegen kann. Wahrscheinlich ist sich der Entwickler über die Kürze des Spiels bewusst gewesen, denn für die japanische Version des Nachfolgers hat er sich etwas sehr nettes und vor allem faires einfallen lassen (siehe unten im Abschnitt Jumping Flash! 2).

Der Erstling kam in der damaligen Fachpresse sehr gut an und wurde gut bewertet. Die deutsche Video Games vergab 74%, was zu der Zeit auch wirklich noch bedeutete, dass ein gutes und empfehlenswertes Spiel vorliegt, Die Bewertungen der anderen Zeitschriften im deutsch- und englischsprachigem Raum bewegen sich im selben Bereich oder sogar ein wenig höher.

Jumping Flash! 2 – Nur eine Mission-Disc?

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Bereits im April 1996, fast exakt nur ein Jahr nach dem Vorgänger, erschien Jumping Flash! 2 in Japan. Robbit muss sich nun einem noch größeren und gefährlicheren Gegner stellen: Capitao Suzuki (in den westlichen Versionen Captain Kabuki) ist ein riesengroßes Wesen, welches große Teile aus Little Muu, dem Planeten der MuuMuus, herausgerissen hat. Jetzt ist es tatsächlich Baron Aloha, der Robbit zur Hilfe ruft. 

Viel hat sich seit dem Erstling zwar nicht geändert, aber trotzdem war die schnelle Fortsetzung bei den Fans sehr gerne gesehen, weil der erste Teil viel zu schnell vorbei war. Wieder sind es sechs Welten mit je drei Stages, die durchquert beziehungsweise gemeistert werden müssen. Selbstverständlich handelt es sich um gänzlich neue Szenarien, die mit frischen Gegnern bestückt wurden. Allerdings müssen nun nicht vier Jetpods gefunden werden, sondern jeweilsJumpingFlash_MuuMuu_2_flip_small drei Bewohner des Planeten Little Muu – die MuuMuus. Rundlich anmutende Wesen mit drei Beinen und kleinen Palmen auf den Köpfen.

Gegenüber den Stages des Erstlings sind die in Jumping Flash! 2 vertikal viel ausgedehnter. Robbit muss also noch höher klettern, um jeden MuuMuu und die Eingänge zu den Bonus-Stages zu finden. Ein wenig verbessert wurde das Radar in der Ecke oben rechts und es gibt nun eine hilfreiche Anzeige für die Sprungkraft – Dadurch gelingen die Dreifachsprünge etwas leichter.

Jumping Flash! 2 ist wieder nur kurz, aber der japanischen Ausgabe liegt der Erstling auf einer eigenen Disc bei. Und es handelt sich sogar um die englische Version! Wer also die ersten 12 Welten des Franchises erleben möchte, muss sich lediglich die japanische Fassung des zweiten Teils zulegen. Das ist sehr fair und entkräftet das negative Argument den Umfang betreffend. Zudem gibt es wieder einen freispielbaren Extra-, Super- und Hyper Modus.

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Der zweite Teil liegt selbstverständlich in der japanischen Urfassung in der Hülle, aber die sprachliche Hürde ist sehrJumpingFlash2_CapiaoSuzuki2

niedrig: Sämtliche Texte in den Menüs sind auf Englisch, nur die Sprachausgabe erfolgt auf Japanisch.

In der deutschen Fachpresse wurde Jumping Flash! 2 mit 74% bis zu beachtlichen 80% bewertet und im Ausland sieht es ähnlich aus. Wem der Erstling bereits sehr gut gefällt, ist mit dem Nachfolger noch glücklicher.

 

Robbit Mon Dieu – Jumping Flash! 3

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Bis zum dritten Teil vergingen mehr als drei Jahre und zwischenzeitlich wurde das Team umbenannt in Sugar & Rockets. Unter diesem Namen entstanden einige bei uns eher unbekannte Titel, welche in Japan veröffentlicht wurden. Einzig der interessante Puzzler I.Q. Final wurde unter dem Titel Kurushi Final: Mental Blocks erschien auch in Europa. Trotz des Erfolges von Jumping Flash! und Jumping Flash! 2 schaffte es der dritte Teil nicht nach USA und Europa, und deshalb ist es vielen Spielern wahrscheinlich nicht bewusst, dass er existiert.

Diesmal muss nicht gegen Baron Aloha oder Capitao Suzuki gekämpft werden, sondern Robbit soll lediglich den Bewohnern des Planeten Hananuma helfen einige Probleme zu beseitigen. Die Aufgaben sind nun vielfältiger: Das Einschalten einiger Wassermühlen, böse Geister beseitigen, Gegenstände oder Bewohner von einem Punkt zu einem anderen Transportieren und einiges mehr.

Die einzelnen Stages, welche nach und nach auf einer Oberkarte erscheinen und dort selektiert werden können, sind leider kleiner als die in den beiden Vorgängern. Zwar sind es mit insgesamt 30 Stück ein paar mehr, aber besser wären weniger Stages, welche größer sind.

Wie gehabt lässt sich Robbit mittels Dreifachsprünge fortbewegen und er hat nun zusätzlich die Fähigkeit, sich bei einem Druck auf die Dreieck-Taste nach unten zu katapultieren und gewisse Dinge zu zerstören. In manchen Stages muss diese Befähigung angewendet werden, um die Ziele zu erreichen. Man kommt nicht gleich darauf, weil Robbit Mon Dieu, anders als die Vorgänger, ausschließlich japanische Texte und japanische Sprachausgabe bietet.

Der dritte und letzte Teil der Reihe wurde von den Fans gut angenommen, gefällt aber etwas weniger als die Vorgänger. Er ist insgesamt zu einfach und es entfällt das motivierende Suchen nach Jetpods oder MuuMuus in schwindelerregenden Höhen. Das Spiel macht weniger Spaß, sieht aber dank der abstrakt dargestellten Landschaften und Gegner auch heute noch nett aus. Die japanische Famitsu bewertete es mit beachtlichen 31 von 40 Punkten und die deutsche Video Games vergab nur magere 50%.

Vor allem die ersten beiden Teile kann man heutzutage zu den 3D-Spielen zählen, die recht gut gealtert sind. Die überwiegend abstrakten Grafiken sähen auf aktuellen Plattformen selbstverständlich besser aus, aber trotz ihres Alters wirken sie selbst auf der betagten PlayStation-Hardware immer noch ansehnlich. Ganz erstaunlich, dass es keine „Wabertexturen“ gibt. Schade, dass das allererste 3D-Jump-’n’-Run schon in Vergessenheit geraten ist.

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Pocket MuuMuu – Eine besondere Spielesammlung

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PocketMuuMuu_titleSugar & Rockets hat noch ein viertes Spiel innerhalb des Jumping-Flash!-Franchise entwickelt, welches allerdings kein reines Jump ’n’ Run ist. Pocket MuuMuu, es wurde zwischen Jumping Flash! 2 und Robbit Mon Dieu herausgebracht, ist im Grunde eine riesige Spielesammlung.

Anfangs verfügt man nur über wenig Geld und die Welt, in der Robbit bewegt werden kann, ist noch recht leer. Es gibt allerdings einen Händler, bei dem man sich die ersten zwei oder drei Mini-Spiele kaufen kann. Es handelt sich um kleine LCD-Spielchen von recht einfacher Natur: z.B. Action-, Renn-, Golf- und Kartenspiele. Mit einem in Pocket MuuMuu integrierten PocketStation-Emulator können all die Spiele gespielt werden und je besser es läuft oder je öfter sie gespielt werden, desto mehr Geld wird dem Konto gutgeschrieben.

Bei einem anderen Händler im Hauptspiel können anschließend weitere Dinge gekauft werden. Ventilatoren, die RobbitJumpingFlash_MuuMuu_small auf weit entfernte oder hoch oben angebrachte Plattformen blasen. Es gibt später auch teurere Objekte wie zum Beispiel Piraten- oder Luftschiffe und Gebäude. Überall können neue Mini-Spiele gefunden werden und die Welt wird immer größer, vielfältiger und belebter. Das ist ein interessantes und motivierendes Spielprinzip.

Besonders schick ist die Möglichkeit, die Mini-Spiele tatsächlich auf ein richtiges PocketStation-Gerät zu übertragen, die Spielchen unabhängig vom Hauptspiel zu spielen und sogar unterwegs außer Haus Geld zu verdienen. Später kann das PocketStation-Gerät wieder mit der Konsole verbunden und das Geld verwendet werden. Über 100 Spiele und kleine Anwendungen (Biorhythmus, Stoppuhr, …) sind in Pocket MuuMuu versteckt.

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